To the Ends of the Earth

„Eine Fremdheitserfahrung ganz eigener Art.“

(» Frankfurter Allgemeine Zeitung, Bert Rebhandl)

Eine japanische Starmoderatorin weilt in Usbekistan, um für eine Reisesendung die ursprünglichen und exotischen Seiten des Landes zu entdecken. Aber nichts läuft wirklich wie geplant. Kiyoshi Kurosawa gehört längst zu den wichtigsten Filmschaffenden Asiens. Für einmal verlässt er hier seine mitunter harte Vision der modernen Welt, um uns eine friedlichere und optimistischere Reise anzubieten.

Das vorsichtige Wesen von Yoko (Japans Star Atsuko Maeda) wird arg auf die Probe gestellt, als sie nach Usbekistan reist, um die letzte Episode ihrer Reisesendung zu drehen. Yoko moderiert ein in ihrer Heimat beliebtes Reisemagazin, kann aber nicht überspielen, dass sie von einer Insel stammt und irgendwie isoliert wirkt wie viele junge Landsleute, wenn sie die Insel verlassen. Lost in Translation gibt es eben auch in umgekehrter Richtung.

Das Filmteam reist durchs Land, filmt im wunderbaren Samarkand und an beliebten Spots, besucht einen Markt, versucht das lokale Essen und fühlt sich nie richtig wohl. Für Yoko kommt dazu, dass in Tokyo ihr Freund wartet und sie sich um ihn Sorgen macht, weil er beider Hafenfeuerwehr arbeitet und da einen Jobhat, der gefährlich sein kann. Bei ihren Streifzügenauf eigene Faust stösst Yoko mitten inder Nacht auf eine eingezäunte Ziege, die die Japanerin vor laufender Kamera befreien will.

Schliesslich soll das Publikum zuhause etwashaben von ihrer Mission. Das Team zieht nach Taschkent, wo Yoko das berühmte Navoi Theater aufsucht und fantasiert, dass sie auf der Bühne steht und bejubelt wird. Je mehr sich die Fernsehreporterin in den unbekannten Strassen Usbekistans verliert, desto heimischer fühlt sie sich, und da erfüllt sich auch der japanische Originaltitel: «Das Ende einer Reise, der Beginn einer Welt». Für uns sind es gleich zwei Begegnungen: Die eine mit Zentralasien, die andere mit Japan. (wal)

TO THE ENDS OF THE EARTH

USBEKISTAN • 2019 • 120 mins

Regie, Drehbuch: Kiyoshi Kurosawa

In den Hauptrollen: Tokio Emoto, Ryo Kase, Atsuko Maeda, Adiz Rajabov, Shôta Sometani

Auf Japanisch, Usbekisch mit deutschen Untertiteln.

Kiyoshi Kurosawa, 1955, stammt aus Kobe, Japan. Er studierte Soziologie an der Rikkyo Universität und Filmkunst bei Kazuhiko Hasegawa und Shinji Somai. Seinen ersten Spielfilm drehte er 1983. Er gehört heute zu den bekanntesten und eigenwilligsten Regisseuren Japans, der mit seinen philosophischen angehauchten Filmen fast schon ein eigenständiges Genre geschaffen hat. Mit Tokyo Sonata schlägt er einen neuen Weg ein und lässt das Gruseln nur noch augenzwinkernd von innen heraus grüssen. Vielleicht auch, weil er mit Gruselfilmen nie etwas zu tun haben wollte: «Meine Filme handeln von Urängsten, hier und da kommen Geister darin vor und meine Figuren stehen grosse Ängste aus, aber habe ich deshalb Gruselfilme gemacht?» – Einige frühere Filme von Kiyoshi Kurosawa: CureSerpent’s PathEyes of the SpiderBarren IllusionsCharismaPulseBright FutureDoppelgängerLoft.



FREMONT

„Leise und zauberhaft – mit Zügen von Jarmuschs skurillen Humor.

(IndieWire)

Donya hat als Übersetzerin in ihrer afghanischen Heimat für die US-Regierung gearbeitet und konnte sich im letzten Moment absetzen. Jetzt lebt sie im kalifornischen Fremont, schreibt Weisheiten für Glückskekse und träumt. Babak Jalali führt uns mit zärtlichem Humor und wohltuender Lakonik à la Jim Jarmusch vor Augen, was Menschen einander näher bringen kann.

Donya lebt allein in Fremont, Kalifornien, in einem Gebäude mit anderen afghanischen Einwander:innen. Sie kann kaum schlafen, isst oft allein in einem örtlichen Restaurant und schaut regelmässig Soaps. Ihre Routine fernab der Heimat ändert sich, als sie in ihrem Job in einer Glückskeks-Fabrik zum Glücksengel befördert wird. Während ihre Lebensweisheiten von wildfremden Menschen in der ganzen Bay Area gelesen werden, treibt Donyas schwelende Sehnsucht sie dazu, eine eigene Botschaft in die Welt hinauszusenden, ohne zu wissen, wohin sie führen wird.

Der aus dem nördlichen Iran stammende Babak Jalali hat uns bereits im Spielfilmerstling Frontier Blues mit seinem trockenen Humor beglückt. In Fremont, den er stilsicher in Schwarz-Weiss gedreht hat, schafft er mit grosser menschlicher Wärme und ebenso leisem wie schrägem Humor das liebevolle Porträt einer jungen Frau, die von der Vergangenheit verfolgt wird, aber vom Wunsch nach Gemeinschaft und Verbundenheit erfüllt ist. Mit der hervorragenden Besetzung seiner unvergesslichen, einzigartigen Figuren und dem betörenden Einstand der afghanischen Geflüchteten Anaita Wali Zada als Schauspielerin ist Fremont eine Ode an die seltsame Schönheit des Versuchs, ein neues Leben in einem fremden Land aufzubauen. Das Zusammentreffen mit Daniel, verkörpert durch Jeremy Allen White, dem Star aus der Serie The Bear, macht den Film allein schon sehenswert. Wir schweben mit ihm als Daniel und mit Donya auf der Wolke Poesie.

FREMONT

USA • 2023 • 91 mins

Regie, Drehbuch, Montage:
Babak Jalali

Schauspieler*innen:
Anaita Wali Zada, Hilda Schmelling, Jeremy Allen White
Avis See-tho, Siddique Ahmed

Auf Englisch, Dari, Kantonesisch
mit deutschen Untertiteln.